Lektion 0-2: Radikulär, pseudoradikulär oder unspezifisch – was steckt hinter dem Schmerz?

🧩 Radikulär, pseudoradikulär oder unspezifisch – was steckt hinter dem Schmerz?

Rückenschmerzen sind nicht gleich Rückenschmerzen.
Ob ein Nerv beteiligt ist oder nicht, entscheidet oft darüber, wie die Schmerzen sich anfühlen, wohin sie ausstrahlen und welche Behandlung sinnvoll ist.

Um das besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf drei wichtige Begriffe, die Ärztinnen und Ärzte häufig verwenden:
radikulär, pseudoradikulär und unspezifisch.


⚡ Radikulär – wenn der Nerv selbst gereizt ist

„Radikulär“ kommt vom lateinischen radix – Wurzel. Gemeint ist eine Nervenwurzelreizung.
Sie entsteht, wenn eine Bandscheibe, ein Entzündungsprozess oder eine Engstelle im Wirbelkanal direkten Kontakt mit einem Spinalnerv hat.

Typisch sind
einschießende, stechende oder brennende Schmerzen, oft wie Strom oder Feuer
Ausstrahlung entlang eines klaren Verlaufs – meist über Gesäß und Bein bis unter das Knie
Missempfindungen wie Kribbeln, Taubheit oder Brennen
• eventuell Kraftverlust oder ein „schwaches Bein“

Der Schmerz folgt einer festen Linie, die zu einem bestimmten Nerv gehört (Dermatom). Diese klare, einseitige Ausstrahlung unterscheidet den radikulären Schmerz von anderen Formen.

Beispiele: Bandscheibenvorfall mit Wurzelreizung, Nervenkanalenge, selten auch Zysten oder Entzündungen entlang der Nervenwurzel.


🔁 Pseudoradikulär – wenn es sich nur „wie Nervenschmerz“ anfühlt

Bei pseudoradikulären Schmerzen ist kein Nerv direkt geschädigt oder eingeklemmt, aber das Schmerzbild ähnelt einem radikulären Verlauf.

Ursache ist meist eine Reizung oder Verspannung im Bereich der Wirbelgelenke, Muskeln, Faszien oder des Kreuzdarmbeingelenks. Diese Strukturen teilen sich teilweise dieselben Nervenbahnen und können dadurch ausstrahlende Schmerzen vortäuschen, die sich bis ins Bein ziehen – jedoch ohne klare Linie oder neurologische Ausfälle.

Typisch ist
• der Schmerz wechselt mit der Haltung oder Bewegung
• er bleibt oft oberhalb des Knies
• Kribbeln oder Taubheit fehlen meist
• die Stärke schwankt – an manchen Tagen deutlich, an anderen fast gar nicht

Pseudoradikuläre Schmerzen sind unangenehm, aber nicht gefährlich. Sie sprechen meist gut auf Bewegung, Dehnung, Wärme und gezieltes Training an.


🌿 Unspezifisch – der häufigste Rückenschmerz überhaupt

Die Mehrzahl der Rückenschmerzen ist als unspezifisch.
Das bedeutet: Es lässt sich keine einzelne Struktur eindeutig als Ursache benennen. Der Schmerz entsteht aus einem Zusammenspiel von Muskeln, Bändern, Gelenken, Nerven, Stoffwechsel und auch psychischer Spannung.

Er kann dumpf, ziehend oder wechselnd sein, manchmal mit Ausstrahlung, manchmal ohne. Unspezifische Schmerzen sind keine Diagnose, sondern ein Ausschluss – es liegt kein gefährlicher Befund, keine Nervenkompression und keine strukturelle Schädigung vor.

Die gute Nachricht: Unspezifische Rückenschmerzen haben meist eine sehr gute Prognose. Sie bessern sich mit Bewegung, Aktivität und dem Abbau von Schonverhalten.


🧠 Zusammengefasst

Radikulär: Der Nerv ist direkt betroffen – scharfer, brennender Schmerz entlang einer klaren Linie.
Pseudoradikulär: Kein direkter Nervenkontakt – aber Schmerz mit ähnlichem Muster, meist durch Muskeln, Gelenke oder Faszien.
Unspezifisch: Kein einzelner Auslöser – der Schmerz entsteht aus dem Zusammenspiel vieler Strukturen.


✨ Fazit

Nicht jeder Schmerz, der ins Bein zieht, bedeutet einen Nervenschaden.
Viele Beschwerden entstehen aus dem komplexen Zusammenspiel von Muskulatur, Gelenken, Faszien und Nerven.

Wer den Unterschied versteht, kann besser einschätzen, wann Ruhe, wann Bewegung und wann ärztliche Abklärung nötig sind – und verliert die Angst vor „falscher Belastung“.


🔜 Nächste Lektion

Die Grün–Gelb–Rot-Ampel – und wann ärztliche Abklärung wichtig ist